Quellen:
Quanternary Science Reviews – Jed O. Kaplan, Kirsten M. Krumhardt, Nikolaus Zimmermann ; Global Impacts of Future Cropland Expansion and Intensification on argricultural markets and biodiversity – Florian Zabel, Ralf Seppelt, Thomas Wacklavik ; Carbon Sequestration in the agricultural soils of Europe – Anette Freibauer, Mark Rounsevell, Pete Smith ; Dierke Westermann Atlas ; Die Stadt im Überblick – Das Kölner Stadtmodell ; Google Earth, Open Source u. Appel Karten
The Future of the blue banana in videographic mapping of terrestrian future.
Wir Leben in einer Welt des Verlangens und Verbrauchens. Jeden Tag benötigen wir mehr, verbrauchen und verschwenden mehr. Jedoch nicht unbedingt mehr von dem, was wir tatsächlich bräuchten, um voran zu kommen, und genau das zeigt sich wiederum in unserem Konsumverhalten, beziehungsweise in dem, was wir dafür bereit sind auszugeben.
So verbrauchen wir durchschnittlich 16,1% unseres monatlichen Netto-Einkommens für Freizeitaktivitäten und 41,2% für Wohnen im allgemeinen. Für unsere Gesundheit verwenden wir gerade einmal 3,9% und für unsere Bildung sogar nur 0,7%1.
Doch das alleine ist nur ein kleiner Teil der Gründe, weshalb unser Konsumwahn uns in naher Zukunft ins Verderben stürzen wird, denn zusätzlich zu unserer verschwenderischen Lebensweise kommt noch unser unökologisches Denken hinzu.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Deutschland importiert jährlich Nahrungs- und Futtermittel im Wert von über 49 Milliarden Euro und Pharmazeutika im Wert von über 69 Milliarden Euro2. Zugegeben, der Teil der Waren, den wir (mehr oder weniger) regional beziehen, ist nicht zu vernachlässigen, reicht jedoch aber bei weitem nicht aus, um unsere Lage zu verbessern. Konsum ist einfach umzusetzen und identitätsstiftend. Wir definieren uns über das, was wir kaufen, tragen und verschenken.
Ähnlich verhält es sich bei unserer Energiegewinnung. Ja, wir erreichen inzwischen 42,5% des Gesamtstrombedarfes, den wir über erneuerbare Energien gewinnen3, aber diese Zahl ist rückschrittlich im Vergleich zu den Jahren zuvor (2019: 51,5%)4. Weitere 37% des Energiebedarfes gewinnen wir über fossile Brennstoffe und die restlichen 12,5% durch Atomkraft3. Doch selbst, wenn wir es schaffen würden, die Kernenergie bis 2022 komplett abzuschaffen, so haben wir die nächsten Jahrhunderte noch genug von ihren Überresten in Form von stark radioaktiv-verseuchtem Material. Wo hin damit?
Ein Grund für den schleichenden Ausbau unseres Energienetzwerkes sind gescheute Investitionskosten, und genau hier beginnen wir, uns unsere Probleme selbst zu schaffen.
Beziehen wir das einmal auf unsere Gesundheitsinfrastruktur: Einem Bericht aus dem Jahre 2015 zufolge benötigt eines der 16 Bundesländer jährlich ca. 6.6 Milliarden Euro, um seine Gesundheitsinfrastruktur notwendig auszubauen. Tatsächlich wurden in diesem Jahr aber nur rund 2,3 Milliarden Euro investiert5. Bis in das heutige Jahr haben wir das immerhin um 40% gesteigert, unsere Anforderungen an das System sind aber mindestens genauso stark angestiegen6. Trotz all dieser negativen Zahlen sollte man eines nicht vergessen: Unser Gesundheitssystem wird durch Solidargemeinschaften finanziert, was sicherstellt, dass jeder und jedem StaatsbürgerIn eine bedingungslose Grundversorgung zusteht.
Diese „more-or-less-fairness“, die wir in unserem Gesundheitssystem auffinden, lässt sich auch auf unser Bildungs- und unser Kulturangebot beziehen. Wir sprechen jeder und jedem einen gewissen Grad an Bildung und Kulturangebot zu, was aber schnell abbricht, wenn man nicht zu den „normalverdienenden“, weißen, gebildeten Menschen mitteleuropäischer Herkunft zählt.
Der physische Kontakt zu Kultur bricht vor allem in den jüngeren Generationen ab, was nicht ausschließlich auf das Kulturangebot sondern auch auf die Morphologie unserer Siedlungen zurückzuführen ist, was uns direkt zum nächsten Thema bringt:
Unsere Siedlungen sind geprägt durch die Mobilitätsinfrastuktur, die wir die letzten Jahrzehnte stolz errichteten, um uns mehr Freiheit und Individualität zu garantieren. Doch heute befreien uns diese viel weniger, als dass sie uns einschränken und behindern, unsere Luft verschmutzen und unseren Boden versiegeln. Doch obwohl immer mehr Stimmen laut werden, die diese, dem motorisierten Individualverkehr (MIV), kritisch geneigte Meinung propagieren, gehen unsere Nutzungszahlen des MIV’s nicht eindeutig zurück, sie stagnieren vielmehr, vor allem im Fernverkehr. Hier nutzen nur knapp 15,5% den Bus- und Gleisfernverkehr, 5,8% präferieren den Luftweg und mehr als 78% findet auf unseren Autobahnen statt7.
Genau diese Gewichtung zeichnet sich in der Morphologie unserer Siedlungen ab. Sie sind auf den individuellen PKW-Verkehr strukturiert und angepasst. Riesige Verkehrschneisen durchziehen unsere Siedlungen, unterteilen sie und verstärken damit die Nutzungstrennung unserer urbanen Gebiete. Sie nehmen Unmengen an Platz ein, Platz der ideal für Grünflächen und Naturgebiete wäre, die wir doch ach so dringend benötigen. Doch die Morphologie unserer Siedlungen manifestiert unsere Verschwendung und Kurzsichtigkeit hinsichtlich des Umgangs mit den Ressourcen unseres Planeten. Und anstelle davon all das zum Besseren zu wenden, gentrifizieren wir weiter und erhöhen unser Kapital auf Kosten derjenigen, die ohnehin am wenigsten von allem besitzen und am meisten darunter zu leiden haben.
Das drückt sich unter anderem in den Quadratmeterpreisen dieser urbanen Gebiete aus. Hier erleben wir Steigerungen von 300%. Oder anders gesagt: Der Gutverdiener kann sich von dem Geld, mit dem er sich einen Quadratmeter Penthouse mietet, über 14 Quadratmeter Sozialwohnung leisten. Heutzutage ist es in unserer Gesellschaft am teuersten, arm zu sein — was sagt das über unsere Chancengleichheit aus?
Die Typologie unserer Siedlungen impliziert diese Ungerechtigkeit, denn jede und jeder mit genug Geld kann sich hier verwirklichen und weiter verbrauchen und Boden verschwenden. Dieser Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten verschärft die Diskrepanz zwischen arm und reich, billig und teuer und reißt diese nur weiter auf.
Was muss sich ändern?
Wir müssen beginnen, Konsum neu zu denken.
Die angesprochene Identitätsstiftung, die mit unserem heutigen Verhalten einhergeht, muss sich verändern. Es darf nicht mehr erstrebenswert sein, jedes Jahr das neueste Smartphone zu besitzen, sich jedes Quartal die neueste Kollektion seiner präferierten Modemarke zuzulegen oder 21 verschiedene Sportwägen zu besitzen, von denen man, unterm Strich, eh nur einen auf einmal fahren kann.
Wir müssen regional und nachhaltig Denken und Handeln.
Ein Schritt, um dieses Umdenken in Gang zu setzen, ist eine Kilometersteuer. Diese besteuert Produkte aus weiter entfernten Gebieten höher, als jene aus der direkten Umgebung.
Zudem müssen wir aufhören, Waren aus dem Ausland zu beziehen, die bis zu ihrer Fertigstellung drei verschiedene Kontinente durchwandern und die restlichen drei überflogen haben.
Der Handel mit derartigen Waren muss vielmehr als eine Art Handel mit „geistigem Eigentum“ betrachtet werden. So kann es möglich gemacht werden, dass ein Produkt, dessen UrheberIn zum Beispiel in den U.S.A. sitzt, nicht länger in China produziert, um später über Irland nach Mitteleuropa zu gelangen, sondern nur noch die Lizenz zur Produktion aus dem Herkunftsland des Urhebers / der Urheberin in das Zielgebiet geschickt wird, in dem die Ware benötigt und schließlich auch produziert wird. Die Erzeugung solcher „lizenzgebundener“ Güter muss dezentralisiert erfolgen und zwar in dem Gebiet, in dem es benötigt wird.
Auch unser Energienetzwerk bedarf einer übergeordneten Dezentralisierung. Nur so können wir den Umstieg auf erneuerbare Energien bewältigen und nur so können wir genügend Puffer- und Speichermöglichkeiten ausbauen.
Wie kann so etwas in einer solchen Gesellschaft initiiert werden? Die Antwort: durch staatliche Sanktionen.
Eine Fossil/Kern-Energie-Steuer, die jegliche Energie, die aus fossilen Brennstoffen oder Kernenergie gewonnen wird, unattraktiv für den Endverbraucher macht.
Wir müssen unserer Gesellschaft bedingungslos den gleichen Zugang zu Bildung, Kultur und Gesundheit gewähren und das sowohl digital als auch physisch. Das impliziert den Ausbau und die Popularisierung des Lehr- und Kulturangebotes sowie die morphologische gleichgewichtete Verteilung dieser Angebote in der Siedlung. Der Zugang dazu muss von einem Individuum nicht gesucht, sondern ihr oder ihm aufgezeigt werden.
Die bereits erwähnte Fossil-Energie-Steuer nimmt auch Eingriff auf die Mobilität unserer Gesellschaft. Wir wollen das Auto und den damit verbundenen motorisierten Individualverkehr aus unseren Siedlungen verbannen. Dies geschieht am einfachsten über den Rückbau der Infrastruktur. Wer dort keinen Parkplatz findet, wird bald auch nicht mehr mit dem Auto kommen. Die Individualität im Verkehr soll nicht verloren gehen, doch wir müssen aufhören, in Autos zu denken und zu planen, sondern Mobilität an sich zu entwerfen.
Autonomer Personennahverkehr ebnet hier den Weg für eine Infrastruktur, die diese integral behandelt und beinhaltet.
Um die individuelle Fortbewegung zu wahren und den ÖPNV dennoch attraktiv zu gestalten, tritt ein Tarifsystem in Kraft, welches sich von der „Holzklasse“ (also dem günstigsten Tarif, der in diesem Fall kostenlos für jede und jeden ist) bis hin zur autonomen Taxi-Flat steigert. So ist die Mobilität eines jeden Gewährleistet.
Dieser Wandel der Mobilität eröffnet in den urbanen Siedlungsgebieten neue Möglichkeiten zur Renaturierung. Diese sollen sich in drei Klassen aufteilen:
Naturerhaltungsgebiete, welche im Fokus auf Pflanze und Tier gestaltet, beziehungsweise sich selbst überlassen werden. Der Mensch darf in diesen Gebieten zukünftig nur noch als passiv betrachtende Instanz fungieren.
Mischzonen: Diese beschreiben renaturierte Zwischenstädte und Transurbane Gebiete. Sie sind darauf abgezielt, Lebensraum für alle und alles zu gestalten. Pflanze, Tier und Mensch erhalten hier den selben Stellenwert. Ihr Lebensraum wird überschneidend gestaltet, denn Interaktion fördert Bewusstsein.
Verdichtete Gebiete: Diese Zonen nehmen nur niedrige, einstellige Prozente der Gesamtfläche in beschlag. Es sind stark nachverdichtete urbane Gebiete, in dessen Gestaltungsfokus der Mensch steht. Dennoch sind auch diese Zonen so gut wie möglich naturiert. Das beinhaltet eine Naturierung der zurückgewonnenen Straßenflächen, eine Begrünungspflicht für Außenflächen (sowie auf den Boden- als auch auf den Dachflächen) und noch weitere Schritte, um dieses hoch verdichtete Gebiet möglichst grün zu gestalten.
Die Verdichtung und Renaturierung dieser Gebiete findet keinen Endzustand, sie ist viel mehr als ein sukzessiver Prozess zu verstehen, der einen utopischen Zustand anstrebt.
Weiteren Einfluss auf die Morphologie der modernen Siedlungen soll die strikte Mischnutzung der Gebiete haben. Eine Siedlung funktioniert dann sozial sinnvoll, wenn sie durchmischt ist und verschiedene Nutzungen adressiert.
Dies kann erst geschehen, wenn sich auch jede und jeder aussuchen kann, wo sie oder er in dieser Siedlung leben will, unabhängig davon wieviel der Kubikmeter kostet. Dies impliziert eine radikale Angleichung des Mietzins innerhalb der Siedlungen und geographischen Zonen. Hierfür tritt das Modell „Leasing auf Lebenszeit“ in Kraft. So besteht nun nur noch die Möglichkeit, Grund zu pachten, um auf ihm zu bauen und diese Bauwerke zu nutzen. Das soll verhindern, dass Grund als reines Kapitalgut gehandhabt wird.
Um das Wohnen in diesen umstrukturierten Siedlungen möglichst effizient zu gestalten, bedarf es der bereits angesprochenen Verdichtung sowie einer Umnutzung der bestehenden Strukturen. Das Einfamilienhaus verschwindet aus der Typologie der modernen Siedlungen. An seine Stelle tritt nun das Mehrgenerationenhaus.
Trotz all dieser Ansätze, ist der Diskurs bloß der erste Schritt, um eine zukunftsfähige Moderne zu ermöglichen. Denn es gilt stets: Jegliche Diskussion wird erst durch ihre radikale Umsetzung erfolgreich.
Fußnoten:
1: Orth, M. (2019, Januar, 24). Wofür geben Deutsche ihr Geld aus?. Abgerufen 06. Juli 2021, von https://www.deutschland.de/de/topic/leben/konsumausgaben-dafuer-geben-deutsche-ihr-geld-aus
2: Statistisches Bundesamt: Zusammenfassende Übersichten für den Außenhandel. Abgerufen 06, Juli 2021, von https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52848/ex-und-import-nach-waren
3: Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme: Nettostromerzeugung im 1. Quartal 2021: Anteil der erneuerbaren Energien im Jahresvergleich gesunken. Abgerufen 06. Juli 2021, von https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/news/2021/nettostromerzeugung-im-1-quartal-2021-anteil-der-erneuerbaren-energien-im-jahresvergleich-gesunken.html
4: Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme: Nettostromerzeugung im 1. Halbjahr 2020: Rekordanteil erneuerbarer Energien von 55,8 Prozent. Abgerufen 06. Juli 2021, von https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2020/nettostromerzeugung-im-ersten-halbjahr-2020-rekordanteil-erneuerbarer-energien.html
5: Prof. Dr. Christoph M. Schmidt (2017, Dezember, 06). Stand und Weiterentwicklung der Investitionsförderung im Krankenhausbereich Endbericht, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, S123
6: Statistisches Bundesamt (2021, April, 06): Pressemitteilung Nr. 167. Abgerufen 06. Juli 2021, von https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/04/PD21_167_236.html
7: Umweltbundesamt(2021, Februar, 22): Fahrleistungen, Verkehrsleistungen und „Modal Split“. Abgerufen 06. Juli 2021, von https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/fahrleistungen-verkehrsaufwand-modal-split#fahrleistung-im-personen-und-guterverkehr
von Vincent Adolphi B.A, Laurenz Guggenberger B.A, Jonathan Kielhorn B.A, Noah Rulis, B.A und Niels Toellner B.A
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